Gedanken zur Zucht

Wenn wir weiter züchten wollen, kommen wir in arge Bedrängnis mit entweder einem hohen Inzuchtkoeffizienten oder einem hohen Araberanteil, der schon jetzt die für die Zucht von Karabaghpferden erträgliche Grenze (75 %) bei einigen Pferden überschreitet. Da wir keine Araber züchten wollen, uns aber dieser Rasse zwangsläufig immer mehr annähern, scheint es geboten, einen vielleicht unkonventionellen, aber auch in Aserbaidschan bereits angewandten Weg zu beschreiten: Einkreuzen von Fremdblut.

Das Stutbuch der Karabaghen ist  N I C H T  geschlossen, daher ist vorsichtiges Einkreuzen von Fremdblut möglich. Leider haben wir hier in Westeuropa jedoch von den in Aserbaidschan eingekreuzten und sicher den Karabaghen genetisch näher stehenden Rassen (Deliboss, Shirvan oder Quba) keine Exemplare „vorrätig“.

Erfreulicherweise fand ich in Südtirol eine Stute, die aus meiner Sicht einen hohen Anteil des genetischen Pools eines Karabaghhengstes „Piston“ aufwies, der für mich als Karabaghzüchterin so wertvoll für eine Weiterzucht war, dass ich nach einigen Überlegungen zu dem Entschluss kam, dass diese genetische „Auffrischung“ in unserem schmalen Genpool nach einigen Generationen (nach 6 Generationen ist von dem Fremdblut nur noch ein 1/2^6 = 1/64) Anteil vorhanden, der dann kaum noch nachzuweisen ist) besonders wichtig sei. Ich kaufte diese Haflinger-Karabagh-Stute, da deren Vater zum einen mit keinem der anderen verwandt war, sie einen relativ hohen originalen Karabaghblutanteil von 24/32 hatte, aber leider zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte.

Karabaghpferde, die die 75 % Araberanteil (man beachte!!!) bereits überschritten haben, sollten m. E. nicht weiter mit Vollblutarabern gekreuzt werden, da dies dazu führt, diese Pferde der Rasse Araber mehr anzunähern, als dies gut tut, zumal der Araber als ein Flachland-Steppen-/Wüstenpferd gezüchtet wurde, der Karabagh hingegen ein trittsicheres, wendiges, Gebirgsreitpferd war und auch bleiben sollte. Wichtig ist daher sicher auch, auf welche Eigenschaften des Karabaghen verstärkt geachtet werden sollte und welche Mängel (die möglicherweise auch inzuchtbedingt sind) auf jeden Fall ausgemerzt werden sollten:

„Deshalb sollte bei der Hengstauswahl zur „Ur-Entscheidung des Züchters“ zurückgegangen werden, in der die Parameter (Gebäude, Bewegung, Verhalten, Umgang, Trainierbarkeit, Leistung, Erfolge) der Stute mit der des Hengstes verglichen werden. Der Hengst soll ja die Nachkommen der Stute „besser machen“, also sollte er in den schwachen Bereichen der Stute in jedem Fall besser sein.“

Quellen:
Regina Käsmayr / Helmut Schmaus-Gerstenberg

Interessant ist auch ein Abschnitt in Graf von Wrangels Buch vom Pferde (1908) auf Seite 11:

„Auf diese Frage (Anm.: der Einkreuzung von Arabern) erteilte die Gestütsverwaltung 1862 im livländischen Landtage folgende Antwort: ‚Der Araber kann als ausgesprochener Reitschlag [...] nur dort verwendet werden, wo breite massige Stuten der Zugabe von mehr Trockenheit, Energie und Feuer in Muskeln, Blut und Temperament bedürfen. An Formen, Trockenheit, Energie und mutvoller Ausdauer steht aber der ausgezeichnete Klepper dem Araber kaum nach. Er ist ihm außerdem [...] an zäher Unverdrossenheit, an ruhigem An- und Fortschleppen, an Futterverwertung und an gesunder Genügsamkeit, selbst bei schlechter Qualität des Futters, sowie auch an Härte gegenüber klimatischen Unbilden unvergleichlich überlegen.’“

Natürlich handelt es sich in diesem Beitrag um livländische Klepper (alte Bezeichnung für Pferde über das Ponymaß hinaus), jedoch lässt es sich nahezu 1:1 auch auf die Rasse der Karabaghen übertragen, die durch fortwährendes Einkreuzen von arabischem Vollblut ihre Jahrhunderte alten, genetisch fixierten Eigenschaften Härte gegenüber klimatischen Unbilden, gesunde Genügsamkeit und außergewöhnliche Gebirgspferdeeigenschaften verlieren.